FBI National Academy (USA) 2016

Woche 3

Der Start in die dritte Woche

25.01.2016

Trotz der Tatsache, dass die Base heute geschlossen bleibt und die Kurse ausfallen, beginnt der Tag früh, um kurz nach acht sitze ich bereits wieder am Schreibtisch und widme mich meinen diversen Hausarbeiten. Das Frühstück nehme ich mit Milena ein, einer meiner Internationals aus Costa Rica. Sie leitet das Büro für Internationale Angelegenheiten bei der costa-ricanischen Bundeskriminalpolizei, vergleichbar mit unserem BKA oder dem FBI. Auch ihr war Schnee bis dato vollkommen unbekannt, so hat sie die letzten beiden Tage im Wesentlichen draußen verbracht. Ich frage sie, wo und wie man in Costa Rica an ostküstengeeignete Winterkleidung herankommt. „Nowhere…“ ist die knappe Antwort. „Amazon has made it possible…!“ Aha – wie sich die Welt doch ähnelt, egal wo man auch ist!

Am Vormittag fahre ich nach Stafford, um einige Erledigungen zu tätigen. Die Bettlampe, die ich aus Deutschland mitgebracht habe, ist an sich prima – allerdings bekomme ich hier keine passenden Glühbirnen (interessante und eigentlich antizipierbare Erkenntnis für eventuelle zukünftige Reisen selber Art und Länge!) und selbige hat letzte Nacht ihren Dienst endgültig quittiert, nachdem sie bereits mehrere Tage heftig flackerte. Was nach allem Suchen als letzte Möglichkeit bleibt, ist der Kauf eines amerikanischen Modells, dieser Option ergebe ich mich schließlich. Nach einem Workout am Nachmittag und dem Abendessen endet der Abend sehr beschaulich mit der Ablenkung durch einen Film auf meinem Laptop.

26.01.2016

Der Tag verläuft unaufgeregt, die Vorlesungen beginnen um 10:00 Uhr und dauern neun lange Stunden bis um 19:00 Uhr. Interessant ist heute insbesondere der Crisis Negotiations Course, der organisatorische und praktische US-Ansatz in diesem Bereich wird mir immer deutlicher und wir analysieren zahlreiche Aspekte eines 911 – Calls. Direkt im Anschluss an die letzte Vorlesung veranstaltet der FBI-Ausstatter 5.11 Tactical ein vorzügliches Steak Dinner. Dies kann ich gut gebrauchen, bestehen die letzten beiden Stunden doch aus Sport bei E. J., der uns nach einem theoretischen, ernährungswissenschaftlichen Input wieder gehörig ins Schwitzen bringt. Das Gespräch des Abends führe ich mit Lieutenant Adam Brainard / Greene County Sheriff’s Office, New York (State) und ich erfahre Interessantes zu Ausstattung und Ausrüstung in Greene County.

Wegen des Wetters findet die morgige Challenge in der Halle statt und auch die Gedenkveranstaltung am Law Enforcement Memorial in Washington wurde abgesagt. Die Stadt ist immer noch mit Ausgrabungs- und Aufräumarbeiten beschäftigt.

Beim Abendessen wird mir klar: Das Los eines jeden Internationals ist die Publizität in der gesamten Session. Man ist bekannt wie ein bunter Hund, man wird ständig mit Namen angesprochen und weite Teile der Session können inzwischen eine Konversation mit „Guten Tag, wie geht’s?“ beginnen. Viele haben Teile ihrer Kindheit oder Armeezeit in Deutschland verbracht und nahezu alle glauben immer noch, dass die Münchener Wiesn das bessere im Oktober stattfindende Fest sei (ich hoffe, dass diese Formulierung kritischer semantischer Prüfung – wie sie zwischenzeitlich erfolgte – nun standhält). Durch beständige Aufklärungsarbeit gelingt es mir zunehmend, diesen Mythos zu entzaubern… 🙂

Wenn wahr wird, was mir in zahlreichen Gesprächen versprochen wird, dann werden künftig immer wieder NA-Absolventen auf Europareise durch Bad Cannstatt flanieren. Das Finish zu dieser Lobbyarbeit für Stadt, Land und Bund erfolgt an der International Night am 24.02.2016, der hier alle mit Spannung entgegensehen, handelt es sich doch um eines der Highlights der NA.

Was vom Blizzard übrig blieb…

Not In Kansas Anymore

27.01.2016

Es ist Challenge-Tag. Die heutige Herausforderung an die Session heißt „Not in Kansas Anymore“ und mir fällt auf, dass die Namen der Challenges bis hin zur Yellow Brick Road an Metapher und Bilder aus Lyman Frank Baum’s „The Wonderful Wizard of Oz“ erinnern (bekannt vor allem durch die berühmte Verfilmung aus dem Jahr 1939: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Wizard_of_Oz_%281939_film%29). Eine Nachfrage bestätigt mir diese Vermutung und ich erfahre weiterhin, dass die Namensgebung auf die US-Marines zurückgeht, die ihren Hindernisparcours mit gelben Steinen markierten.

Die Herausforderung besteht konkret darin, an insgesamt vier Stationen mit einem Tabata-Timer jeweils 8 x 20 Sekunden mit je zehn Sekunden Pause an der absoluten Belastungsgrenze zu absolvieren. Einschließlich einer Minute Pause beim Stationswechsel kommen so etwa 20 Minuten Training zusammen, die es mehr als in sich haben. Zur Erholung setze ich mich danach für 40 Minuten auf ein Spinning – Bike. Schön, wenn man sein Tempo mal selber bestimmen kann. Danach treffe ich im Locker-Room auf Eric Smith aus Portland und er erzählt mir, dass in seinem County ein 1,5 – prozentiger Gehaltsaufschlag vom Sheriff gezahlt wird, wenn die dort tätigen Officer bestimmte sportliche Mindestleistungen erbringen (nachzuweisen ein Mal im Jahr). Laut Eric ein überaus wirkungsvoller Stimulans!

Am Nachmittag berichtet Chris Prochut – seines Zeichens Law Enforcement Suicide Prevention Trainer – im Auditorium zur Suizidprävention innerhalb der Polizei. Sein wortgewaltiger, mutiger und fundierter Vortrag wird durch die Session mit Standing Ovations gewürdigt.

….Auch in den USA sterben pro Jahr mehr Polizisten durch einen Suizid als durch Angriffe Dritter.

28.01.2016

Der heutige Vorlesungstag beginnt hauptsächlich mit Schmerzen in der Wade, darüber hinaus habe ich die Challenge des gestrigen Tages aber schadlos überstanden (anders als Teile meiner Mit-Studenten, die sich hin und wieder schmerzverzerrt in diverse Ecken zurückziehen, um sich zu dehnen).

Der lange Input endet für mich erst um 17:00 Uhr und ist geprägt von Crisis Negotiations, einem Enrichment, Emotional Intelligence und Stressmanagement in Law Enforcement.

Das Enrichment im mit knapp 300 Personen gut gefüllten Auditorium gestaltet Ph.D. Cedric Alexander, seines Zeichens Chief of Police des DeKalb County (http://www.dekalbcountyga.gov/portals/ceo/cedric_alexander.html). Sein Thema: „21 St. Century Policing“, er berichtet aus Sicht eines Polizeichefs mit rund 1.200 Mitarbeitern und einer Zuständigkeit für rund 700.000 Einwohner auf rund 270 Quadratmeilen.

Einen bleibenden Eindruck am Nachmittag hinterlässt für mich insbesondere Stressmanagement in Law Enforcement. Thematisch geht es um die Wiedereingliederung von Law Enforcement – Personal, das in Krisengebieten gedient und entsprechend eindrückliche Kampferfahrungen hat (viele Reservisten sind im Bereich Law Enforcement tätig). Zur Verarbeitung traumatischer Erlebnisse stehen zahlreiche Institutionen und Einrichtungen zur Verfügung, ferner sind die Rechte von Reservisten in Chapter 43 / Title 38 des US Code verbrieft.

Nach dem Tagesprogramm treffe ich um 17:15 Uhr den Acting Unit Chief Jeff McCormick zur Übergabe eines Wimpels des Landespolizeipräsidiums sowie einer Gedenkmünze des Polizeipräsidiums Stuttgart.

Beides wird einen Ehrenplatz in den Ausstellungskästen der Internationals an der FBI Academy erhalten. Baden-Württemberg als vor allem auch lohnenswertes Reiseziel kann ich dem Unit Chief mit einem bei dieser Gelegenheit außerdem übergebenen Bildband ebenfalls näher bringen. Er kennt sich aus in Deutschland, hat er doch als Kind einige Jahre dort verbracht.

Um 20:15 Uhr sehe ich Matt für eine Stunde Wochenabschlusslaufen, morgen nach Vorlesungsende um 17:00 Uhr begleite ich ihn rund 400 Km nach New Jersey. Für den Samstag sind verschiedene Besichtungen geplant, u. a. seiner Station (der Police Chief hat sein Kommen ebenfalls zugesagt) sowie des SWAT-Teams.

Challenge – Motto

Field Trip Morristown New Jersey

29.01.2016

Die Woche 3 endet in Quantico nochmal mit einem vollen Vorlesungstag von 07:30 Uhr bis 16:45 Uhr. Vollkommen neue Inhalte erschließen sich mir im Forensics Course: Das FBI verfügt über eigene Kapazitäten zur Spurensicherung unter Wasser, wobei – dies sei hier zur Verdeutlichung nur exemplarisch erwähnt – der klassische Einsatz von Tauchern z. B. durch vielerlei Detektionstechnik bis hin zu autarken Sonartorpedos flankiert werden kann. Immer wieder kommt es zu spektakulären Aufgriffen in Zusammenhang mit dem Schmuggel von Kokain im Tonnenbereich in selbstgebauten U-Booten an den US-Küsten, die mitunter auch sinken. Passiert dies, bedarf es neben der reinen auch der Spurensicherung unter Wasser, die in der geforderten Qualität in den USA nur das FBI leisten kann, insbesondere auch aufwändiger Bergungsmaßnahmen u. Ä.

Im Emotional Intelligence Course stellt Beth Coleman eine relativ umfangreiche Aufgabenstellung online, die bis spätestens am Samstag, 30.01.2016, schriftlich zu beantworten und über die Plattform der UVA einzureichen ist. Ich muß mich sputen, um mein Wochenende in New Jersey nicht zu gefährden und es gelingt mir, die geforderten Papiere im Laufe des Freitag tatsächlich fertigzustellen – Morristown, ich komme!

Um 18:00 Uhr verlasse ich das FBI – Gelände für die 271 Meilen lange Reise mit Matt. Die Fahrt auf den diversen Interstates verläuft vollkommen problemlos und ich tauche tief in die amerikanische Sicherheitsarchitektur und die Ausbildung in den Bootcamps des United States Marine Corps ein. Stanley Kubrick’s Vietnamkriegsfilm Full Metal Jacket (https://de.wikipedia.org/wiki/Full_Metal_Jacket#Parris_Island) – auch wenn er nicht auf Parris Island gedreht wurde – trifft die Ausbildungsrealität nach all dem, was ich erfahre, möglicherweise viel exakter, als man es sich beim Betrachten von Kubrick’s Adaption wahrscheinlich vorstellt.

Statt den üblichen Weg nach Morristown zu nehmen, der New York eigentlich nur am Rande streift, fährt Matt sowohl den Liberty State Park als auch einen in New Jersey gelegenen Aussichtspunkt an (Eagle Rock Reservation: https://en.wikipedia.org/wiki/Eagle_Rock_Reservation), sodass ich gegen 23:00 Uhr einen so unvergleichlichen Blick auf die pulsierende Metropole werfen kann, wie er wohl nur möglich ist, wenn man einen amerikanischen Guide hat. Gegen Mitternacht sind wir in Morristown, um 01:30 Uhr liege ich im Bett meines Wochenenddomizils.

30. – 31.01.2016

Am 30.01.2016 ist Besichtigungstag – und vorab bereits das Fazit: Ich kann einen außerordentlich detailreichen und sicherlich sehr repräsentativen Blick auf eine typische amerikanische Police Station werfen, der mich verstehen lässt, wie Community Policing auf kommunaler Ebene hier funktioniert.

Der Tag beginnt zunächst mit Familie Gatzke und einer Einweisung in die Geheimnisse des American Football durch den elfjährigen Jack. Nicht schlecht für mich, findet doch am kommenden Wochenende das Superbowl – Finale zwischen den Denver Broncos und den Carolina Panthers statt (https://de.wikipedia.org/wiki/Super_Bowl_50).

Die Aufnahme in den amerikanischen Familienalltag ist mehr als herzlich und ich werde rundum mit allem versorgt, was man zum Glücklichsein braucht. Sämtliche Versuche, meine Gastgeber wenigstens zum Essen einzuladen, misslingen zum wiederholten Male, ich kann jedoch zumindest im Florham Park Police Department (https://www.facebook.com/FlorhamparkPD/) nicht nur die Grüße des Polizeipräsidiums Stuttgart überbringen, sondern dies auch mit ein paar Gastgeschenken flankieren.

Über die Besichtigung des Morristown 09/11 – Memorial und der Polizeiakademie des Morris County (gewissermaßen des Landkreises) geht es schließlich zum Department, das idyllisch in einem Park liegt, der die gesamte öffentliche Verwaltung der 15.000 – Einwohner – Stadt Morristown beherbergt. Etwas über 30 Polizeibeamte arbeiten dort (aktuell ausschließlich männliche), die sich im Schichtbetrieb sowie im Tagesdienst um die öffentliche Sicherheit sowie die Kriminalitätsbekämpfung auf ca. acht Quadratmeilen kümmern. Die Diversität des amerikanischen Polizeiwesens lässt sich hier wieder sehr gut studieren: Während das Department über eigene Dispatcher verfügt, die Notrufe entgegennnehmen und die Einsatzmaßnahmen steuern (vergleichbar mit den Einsatzsachbearbeitern der baden-württembergischen Polizei), nutzen andere Departments aus Kostengründen das Dispatch-Center des County zur Abwicklung des täglichen Dienstes. Jedwede Zuständigkeit – örtlich wie sachlich – ist genauestens voneinander abgegrenzt und durch die verhältnismäßig kleinen Dienststellen entstehen kaum Friktionen und Konflikte.

Ein eigenes Department für eine 15.000 – Einwohner – Stadt zu etablieren ist sicherlich sehr kostenintensiv, es steht jedoch in der Tradition amerikanischer Geschichte, in der Autarkie einen breiten Raum einnimmt. Man merkt hier überaus deutlich, dass die Menschen sehr stolz auf „ihre Polizei“ sind, dies schlägt sich in vielerlei Beobachtungen wieder, die ich heute machen kann. Jeder Polizist des Departments verfügt beispielsweise über eigene „Sammelkarten“, auf denen sich neben einem Bild und einer Beschreibung der beruflichen Tätigkeit auch ein Leitspruch befindet. Diese Karten werden von den Kindern hier gesammelt und wie Schätze gehortet. In dem Diner, in dem ich mit Matt und Jack zu Mittag esse, hängen neben Bildern von den Bediensteten des Departments auch Fotos vom Emergency Response Team (dem örtlichen SWAT – Team, das für das Einwirken auf gefährliche Täter zunächst die primäre Verantwortung trägt und deren Angehörige im Nebenamt tätig sind. Weitere SWAT – Teams gibt es in den Nachbarstädten bzw. im County sowie im Extremfall in Form des Hostage Rescue Teams https://de.wikipedia.org/wiki/Hostage_Rescue_Team natürlich beim FBI. Letztgenanntes befindet sich auf dem FBI – Gelände in Quantico und wird im Rahmen des Crisis Negotiation Courses noch besichtigt werden) sowie von der so genannten „Honor Guard“, die protokollarische Aufgaben übernimmt (beispielsweise bei Footballspielen der New York Jets). Matt trägt die Verantwortung sowohl für das Emergency Response Team als auch für die Honor Guard und ermöglicht mir faszinierende Einblicke auch in diese Tätigkeiten.

Der Stand der eingesetzten Technik ist von der Bewaffnung über die sonstige persönliche Ausstattung bis hin zu den Fahrzeugen herausragend. Letztgenannte sind im normalen Dienst mit einem Patrol Officer besetzt, der mittels eines im Fahrzeug verbauten Terminals sowohl auf die polizeilichen Informationssysteme als auch auf das Vorgangsbearbeitungssystem zugreifen kann. Ein vollwertiger Internetzugriff ist ebenfalls gewährleistet. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgt mittels verbauter Radartechnik sowohl nach vorne als auch nach hinten und ist im fließenden Verkehr möglich. Neben obligatorischer Bild- und Tonaufzeichnung verfügen die Fahrzeuge über ein fest eingebautes Maschinengewehr des Typs M 16 der US-Waffenschmiede Colt sowie über eine auf dem Rücksitz verbaute Minizelle zum Transport gefährlicher Personen ohne zusätzliche Begleitung.

Ferner verfügt das Department über eine beachtliche Anzahl an Motorrädern der Marke Harley Davidson, die je nach Wetter ebenfalls für Streifentätigkeiten eingesetzt werden. Eine gesonderte Motorradstaffel existiert nicht, der Einsatz erfolgt anlass- und neigungsbezogen innerhalb der Schichten.

Gegen 21:00 Uhr geht ein außergewöhnlicher Tag zu Ende, dem wir im Taphouse 15 (http://taphouse15.com) bei Dinner und Pale Ale aus der Bronx Brewery (http://www.thebronxbrewery.com) ein würdiges Finish verpassen.

Der 31.01.2016 verläuft sehr ruhig, ich widme mich hauptsächlich diesem Blog und etwas Paperwork. Gegen 15:00 Uhr verlassen wir New Jersey, um am Abend wieder in der FBI Academy einzutreffen.

Fazit:

Ich blicke zurück auf sehr erkenntnisreiche Tage, die durch den Field Trip nach New Jersey einen äußerst gelungenen Abschluss erhalten. Erkenntnisse der Woche:

  1. Verständnis für andere (Polizei)Welten und Ursache- / Wirkungsbeziehungen lässt sich am Einfachsten durch Teilhabe und Ausprobieren wecken.
  2. Die Probleme auf der Welt sind sich – egal wo man auch ist – irgendwie alle ähnlich 🙂

American Football durch die Augen eines Elfjährigen!

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