FBI National Academy (USA) 2016

Woche 10

Graduation Week & Epilog

14.03.2016

Anmerkung: Der Epilog sei zu Beginn der letzten NA-Woche lediglich avisiert – Schreiben werde ich ihn erst nächste Woche in Florida, wo ich am Golf von Mexiko zwei Wochen lang versuche, etwas von dem zurückzugeben, auf das meine Familie für meinen NA-Aufenthalt in mehr als großzügigem Umfang fast drei Monate lang verzichtet hat: Gemeinsame Zeit … Dass ich diese einmalige Chance an der FBI Academy für mich nutzen konnte, gelang nur unter Inkaufnahme von ganz erheblichen Opfern, die andere für mich erbracht haben und die seit Anfang Januar 2016 privat wie dienstlich an meine Stelle getreten sind.

Es ist im wahrsten Sinne des Wortes „an der Zeit“, etwas von der Dankbarkeit, die ich dafür empfinde, zum Ausdruck zu bringen.

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Die letzte Woche ist angebrochen und langsam aber sicher macht sich Aufbruchstimmung breit. Viele der Internationals haben abenteuerliche Reisen um die halbe Welt vor sich – mein Rückflug nach Frankfurt wirkt dagegen wirklich harmlos – und die NA tut ihr Möglichstes, um die Kolleginnen und Kollegen dabei zu unterstützen, ihre Destinationen zu erreichen. Es kursieren Listen mit Abholzeiten für einen sicheren Flughafentransport, es ergehen weitere Hinweise zum Ablauf der Graduation am Freitag und zu den letzten administrativen Obliegenheiten. Mein europäischer International Partner Maris Geida aus Lettland holt am Nachmittag erfolgreich die „Yellow Brick Road“ nach, nachdem er in der letzten Woche krankheitsbedingt verhindert war.

Der fachliche Input ist abgeschlossen, es gibt es nichts mehr zu berichten – Morgen enden die Vorlesungen. Ich werde am Nachmittag mit Matt Gatzke die „Yellow Brick Road“ zum Abschluss nochmals in einer aufgebohrten 10 Meilen – Variante laufen, danach ist ein gemeinsames Essen in einer größeren Gruppe in Stafford geplant. Ferner ist am Donnerstag St. Patricks Day (https://de.wikipedia.org/wiki/St._Patrick%E2%80%99s_Day), unter diesem (vorgezogenen) Motto steht auch das Abschlussfest, das die Kolleginnen und Kollegen des New York Police Department am morgigen Abend sponsern. Neben Bagpipes darf allerlei Grünes erwartet werden – Im Gegensatz zum Chicago River gehe ich allerdings nicht von einem gefärbten Potomac aus.

Ab Mittwoch verfüge ich nur noch sporadisch über eine Internetanbindung, wahrscheinlich werde ich die Berichte für die Tage Dienstag bis Donnerstag zusammenfassen und am Donnerstagabend online stellen.

Wie ich eingangs schrieb: Aufbruchstimmung – Dies gilt auch für mich.

15.03.2016

Nur ganz kurz: Ein fachliches Highlight bleibt doch noch, die Besichtigung des FBI Hostage Rescue Teams am heutigen Tage. Ich hatte glaube ich oben schon mal auf die Spezialeinheit verwiesen, hier trotzdem nochmal ein Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Hostage_Rescue_Team. Auch hier ist Fotografieren ganz überwiegend wieder verboten, auf Nachfrage in besonderen Bereichen jedoch möglich. Ausbildungsstand und technische / operative Möglichkeiten sind, wie nicht anders zu erwarten, abermals sehr beeindruckend und erinnern mich – auch organisatorisch – an das, was mir aus Deutschland hierzu bereits bekannt war.

Im Auditorium der FBI Academy.

Der Abschluss an der FBI Academy

16.03.2016

Es ist Mittwochabend, 22:30 Uhr und mein Netzzugang besteht unerwarteterweise immer noch. Ich nutze die Gelegenheit, um den heutigen Tage in ein paar hoffentlich gehaltvolle Sätze zu kleiden.

Nachtrag zu gestern: Der St. Patrick’s – Abschied, den uns die Kolleginnen und Kollegen vom New York Police Department bescheren, ist abermals sensationell! Neben Bagpipes und St. Patrick’s Day – Cake gibt es vor allen eines: Viele wertvolle Gespräche und Austausch im Session-Rahmen, schon wenige Stunden später werden sich die Schwerpunkte wieder in Richtung der originären Tätigkeit und der Familie verschieben.
Interessant: Seit zwei Tagen veranstalten die Entschärfer des FBI an der Academy Übungen zur Entschärfung von Bomben und so genannten „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“, hier „Improvised Explosive Device“ genannt (https://en.wikipedia.org/wiki/Improvised_explosive_device). Immer wieder lassen sich interessante Einblicke in dieses Tätigkeit erhaschen und man sieht Menschen in der sehr imposanten Schutzkleidung, die sich auf dem Gelände bewegen.

Am heutigen Vormittag findet die Abschlussveranstaltung mit den Section Counselorn statt und all die Kolleginnen und Kollegen, die den Lauf auf der „Yellow Brick Road“ erfolgreich hinter sich gebracht haben, bekommen als Anerkennung den gelben Stein überreicht. Im Anschluss daran wird die am Freitag stattfindende Graduation geprobt, alles – bis zum Standort jedes einzelnen NA-Studenten – ist komplett durchchoreografiert.

Schade: FBI Director James Comey ist am Freitag verhindert und kann die Graduation nicht selber gestalten. Ihn verteten wird Deputy Director Andrew McCabe, den ich bereits beim International Welcome Dinner persönlich kennengelernt habe. Mr. Comey wird dafür bereits morgen nach Quantico reisen, eine Ansprache halten und zumindest in diesem Rahmen auch einen persönlichen Austausch ermöglichen.

17.03.2016

Um 09:30 Uhr checke ich im Hotel in Stafford ein und treffe mich mit Herrn Walz, dem ich am Nachmittag die FBI Academy zeige. Wie gestern avisiert, kommt FBI Director James Comey am heutigen Tage nach Quantico, um für einen Austausch mit den Studenten und natürlich Erinnerungsfotos bereitzustehen.

Was mir niemand verraten hat: Mein Vizepräsident hat eine Urkunde des Innenministers im Gepäck, auf der Kriminaloberrat steht und mir wird die seltene Ehre zuteil, nach dem gemeinsamen Mittagessen vor weiten Teilen des Jahrgangs und in Gegenwart des FBI Directors an der Academy befördert zu werden.

Am Abend kommt meine Familie in Washington an – Ein herausragender Tag! Ich habe noch keine Bilder, diese werden nachgereicht.

18.03.2016

Die allerletzten, sehr erfeulichen Verpflichtungen in Quantico beginnen offiziell um 09:00 Uhr. Damit wäre ein um 06:00 Uhr im Hotel in Stafford klingelnder Wecker vollkommen ausreichend, um mit einem großzügigen zeitlichen Puffer an die Academy zu fahren. Indes fängt der Tag früher an – sehr früh, um ganz präzise zu sein: Gegen 03:30 Uhr ereilt meine Familie dasselbe Schicksal, das mich vor zehn Wochen (wahrscheinlich wie jeden, der eine längere Distanz in Richtung Westen reist) für ein paar Nächte gequält hat: Absolute körperliche Fitness zum dämlichsten und unpassendsten aller möglichen Zeitpunkte. Nur kurz hierüber lamentierend beschließen wir, die Herausforderung anzunehmen und beginnen den ersten gemeinsamen Tag eben zu dieser Zeit.

Nette Idee! Das sich nun öffnende Zeitfenster nutze ich, um meiner Familie vor der eigentlichen Graduation den Ort und die Personen zu zeigen, an dem bzw. mit denen ich die vergangenen Wochen verbracht habe.

Die Graduation an sich beginnt mit wenigen Minuten Verspätung um kurz nach 10:00 Uhr. Wie bereits erwähnt, ist die Choreographie perfekt und es ist abermals offensichtlich, dass mehr als 80 Jahre Erfahrung in der Ausrichtung dieses einmaligen Führungslehrgangs für den Ausschluss von Überraschungen sorgen. Neben der Presentation of the Colors und dem Singen der Nationalhymne ist sie zunächst geprägt von einleitenden Worten des FBI Geistlichen und einer Begrüßung durch Mark Alan Morgan, den Leiter der FBI Traininig Division und Gesamtverantwortlichen für jedwede Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Bureau. Die sich daran anschließenden rund 15 Minuten nutzt der Spokesman der 263. Session, Captain Larry Deiss vom Jefferson Parish Sheriff’s Office / Louisiana, für einen Blick zurück auf das Gewesene und für ein interessantes Blitzlicht nach vorne auf das vielleicht oder besser hoffentlich zu Erwartende. Gedanklich verleihe ich Larry während seiner Ausführungen spontan das schwäbische Ehrenprädikat „Cleverle“, gelingt es ihm durch seine von sprachlicher Brillanz gezeichneten Ausführungen doch sehr geschickt, die Bälle zwischen allen Beteiligten Akteuren (Jahrgang, Gäste, FBI Deputy Director nebst Stab) hin- und herzuspielen. Schwäbisch bescheiden komme ich zu folgender Erkenntnis: „…ich hätte es auch nicht besser hinbekommen…“ 🙂

Wie erwähnt, wird der FBI Director am heutigen Freitag durch seinen Stellverteter Andrew McCabe vertreten, der mir schließlich gegen 10:50 Uhr das Abschlussdiplom des US Federal Department of Justice überreicht. Mit diesem letzten Akt schließt sich das finale Kapitel des Abenteuers National Academy für mich – Es ist an der Zeit, wieder Verantwortung im beruflichen Alltag in Deutschland zu übernehmen.

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Zusatz: Wenn diese Zeilen online gehen, ist nunmehr der Abend des 22.03.2016 angebrochen und ich sitze inzwischen rund 1.000 Meilen südlicher am Golf von Mexiko bei einem Glas Rotwein. Bis dato habe ich noch nicht genügend geistigen Abstand, um ein Fazit zu platzieren. Alles zu seiner Zeit….

Mein persönlicher Yellow Brick.

Auf der Base entdecke ich auf der Fahrt folgendes, programmierbares Straßenschild:

Epilog

24.03.2016

Inzwischen ist gut eine Woche seit der Graduation in Quantico vergangen und die Zeit vergeht fast noch schneller als an der FBI Academy selber. Ich lerne die Möglichkeit, wieder frei über meine Stunden und Tage zu disponieren, in der Mitte meines (Berufs)Lebens wieder vollkommen neu schätzen. Alleine die Erzeugung dieses Bewusstseins war es wert, in ein Flugzeug zu steigen und in rund 7.000 Km Entfernung vor allem ein noch weiter vertieftes Gefühl dafür zu bekommen, dass Kriminalitätsbekämpfung nicht an Grenzen endet – nicht an Staatsgrenzen, nicht an Ländergrenzen und erst recht nicht an Stadtgrenzen.

Die Monate Januar, Februar sowie (zur Hälfte) März im Kopfe rekapitulierend und im Lichte von unfassbaren Terroranschlägen, die das Herzen Europas während meiner Abwesenheit erschütterten, verdichten sich meine Gedanken zu nachfolgend nur kursorisch explizierten Clustern, die sich nicht mehr auflösen und sich deshalb gut für das Gesamtfazit eignen. Neben den in den Wochen 1 bis 10 angedeuteten fachlichen Inhalten habe ich vor, sie in mein (Führungs)Handeln der Zukunft zu integrieren.

1.
In Quantico waren Kollegen zugegen, die sich weit in der sechsten Dekade ihres Lebens befinden und Personalverantwortung für mehrere 100 Menschen tragen. Was man auch immer für ein Selbstbild haben mag: Es ist nie zu spät für neue Erfahrungen und – vor allem – für eine Horizonterweiterung.

2.
Bildlich gesprochen ist auch im 20. Dienstjahr eine menschenwürdige Existenz in Doppelzimmern möglich. Wie ich gesehen habe, gilt dies auch für die unter Ziffer 1. erwähnten Kollegen im 38. Dienstjahr.

3.
In Deutschland denkt man sehr ergebnisorientiert. Der Prozess, das „Dabeisein“ oder die Berücksichtigung des Prinzips von „der Weg ist das Ziel“ spielen (anders als ich es in den USA beobachten konnte) häufig eine eher nachrangige Rolle. Dies ist richtig und wichtig wenn man Autos baut, erfindet oder – ganz allgemein gesprochen – dichtet und denkt. Eine Ergänzung dieser Ergebnisperspektive um eine transparente Prozesskomponente sowie der berühmte „Blick über den Tellerrand hinaus“ sind im 21. Jahrhundert indes nicht mehr wegzudenken. Berücksichtigt man dies, besteht die realistische Chance, eindimensionale Werturteile zu vermeiden und das häufig eher Subjektive durch ein wesentlich verbreitertes Bewertungsfundament zu objektivieren – Wäre dies nicht in unser aller Sinne?

4.
Meine Mitstreiter der vergangenen Wochen stammen aus rund 50 amerikanischen Bundesstaaten und aus insgesamt 27 Ländern der ganzen Welt. Bereits während meines Aufenthalts in den USA konnten erste Kommunikations- und Informationskanäle bedient werden, die zu einfachsten Problemlösungen bzw. zu mehr oder weniger in Echtzeit erlangten rechtlichen oder taktischen Stellungnahmen beigetragen haben. Tradierte Wege zum Austausch von Informationen in Sicherheitsbereichen sind einem grenzenlosen Europa – wenn nicht gar in einer zumindest virtuell grenzenlosen Welt – mit all den sich bietenden Chancen und Möglichkeiten aber auch Risiken nicht im Geringsten ebenbürtig.

Diese Erkenntnis stammt nicht (nur) von mir – Sie ist vielmehr eine tragende Maxime für FBI Director James Comey, pro Jahr viele Millionen Dollar in die Hand zu nehmen, um einen so einzigartigen Lehrgang wie die NA weiter zu ermöglichen. Damit dies funktionieren kann, müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Chance erhalten, entsprechende Angebote mit Leben zu füllen und weiter entwickeln zu können. Die ersten zwei Worte, die ein mit Führungsverantwortung versehener Arbeitnehmer im Bereich Law Enforcement bei einer entsprechenden Anfrage entgegnet, dürfen in der Mitte der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts daher nicht mehr „was kostet…“ sein.

5.
Zuweilen grotesk (und von anscheinend bzw. offensichtlich fehlendem Sachverstand geprägt) anumutende Diskussionen um Aspekte wie Vorratsdatenspeicherung, präventivpolizeiliche Telekommunikationsüberwachung u. Ä. werden in weiten Teilen der Welt mit äußerstem Befremden zur Kenntnis genommen. Wäre es nicht klüger und wesentlich rechtsstaatlicher, heftige Reflexe nach einem entsprechenden Ereignis (beides ist nach meiner Einschätzung zu erwarten) durch eine umsichtige, in ihrer Umsetzung realistische und das Entstehen von rechtsfreien Räumen (reell wie virtuell) verhindernde Planung zu vermeiden?

6.
Die Polizei Baden-Württembergs ist im Vergleich zu all den Stadt-, Staat- und Länderpolizeien, die ich kennenlernen durfte, in drei von fünf erfolgskritischen Dimensionen (Personal, Aus- und Fortbildung, Professionalität) mehr als ebenbürtig aufgestellt. Verbesserungsbedarf offenbart sich dagegen in zwei weiteren Dimensionen: Finanzielle / rechtliche Ausstattung & positive Wahrnehmung bzw. „Brand Building“ in der Öffentlichkeit.

7.
Ich muss unbedingt noch mal nach New York (vgl. Woche 6).

8.
Das Deutsche Reinheitsgebot macht Sinn.

9.
Ich greife mein Fazit aus Woche 9 nochmal auf:

….Ob ich die NA nochmal absolvieren würde? Jederzeit 🙂

=== Not to be continued ===

Empfang der letzten Urkunde von FBI Deputy Andrew McCabe.

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